Aus dem Vorstand

Partizipative Prozesse, Dialogrunden, Grundsatzdiskussionen

Marlise Egger Andermatt im Mai an der Restversammlung zur Generalversammlung. .  

Präsidentin Marlise Egger Andermatt blickt auf ein bewegtes abl-Jahr zurück. Es stand ganz im Zeichen von Auseinandersetzung und Verständigung in zentralen und auch kritischen Fragen. Wichtige Basisarbeit, die zu zukunftsweisenden Ergebnissen führte. 

Ich rolle das Jahr von hinten auf und beginne beim Ernten von Resultaten nach einem intensiven Jahr: Welche Rahmenbedingungen braucht es, um gut zu führen? Um diese Frage zu klären, werden wir an der letzten Sitzung dieses Jahres im Dezember einen Good Governance Kodex verabschieden sowie das Organisations- und Geschäftsreglement den veränderten Strukturen anpassen. Damit legen wir die Grundlage für ein effi-zientes strategisches Schaffen im neuen Jahr. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Führung auf strategischer und operativer Ebene hat uns durch das ganze Jahr begleitet.  

Good Governance
Mit dem Projekt Good Governance, das bereits im Vorjahr gestartet ist, haben Vorstand und Geschäftsleitung sich intensiv mit Führung und Werten auseinandergesetzt. An einem gemeinsamen Workshop um zentrale Grundsätze entstand der «Kodex Good Governance abl». Dabei orientieren die abl-Führungsgremien ihr Handeln an den Grundprinzipien Integrität, Verantwortung, Einbindung und Transparenz. Sie sind dem Gesamtwohl der abl als eigenständige Körperschaft verpflichtet und setzen sich in diesem Rahmen für die Interessen der Genossenschafterinnen und Genossenschafter, der Mieterinnen und Mieter ein. Der Kodex ist in diesem Sinn nicht ein Abschluss, sondern ein Anfang. Die Grundsätze müssen in die tägliche Arbeit integriert und gelebt werden. Die Führungsverantwortlichen sind gefordert, die Umsetzung aktiv zu gestalten und Good Governance in der Praxis vorzuleben. 
Die strukturelle und organisatorische Entwicklung spricht für die Wahrnehmung von Führungsverantwortung in einer lernenden Organisation.  

Partizipative Gesamtrevision Statuten
Rückblickend prägte die Kommunikation das Geschehen in diesem Jahr: Dialoge, Verhandlungen und Grundsatzdiskussionen rund um die Gesamtrevision Statuten in den Mitwirkungsprozessen forderten volle Aufmerksamkeit und Präsenz. Der Weg zu neuen Statuten macht Rückkopplung und Reflexion notwendig. Meilensteine der Mitwirkung waren der virtuelle Start mit der Zoom-Konferenz Ende Mai und die zum Glück physisch mögliche Ergebniskonferenz Ende Oktober. Die für die Teilnehmenden drei wichtigsten Themen waren Mitwirkung und Partizipation, kein Zwang zum Auszug bei Unterbelegung sowie Klimawandel und Biodiversität (vgl. magazin 11/2021). 
Mit neuen Artikeln in den Statuten zu Partizipation/Mitwirkung wie auch zur Nachhaltigkeit legt der Vorstand die Basis für eine Nachhaltigkeitsstrategie und Klimapolitik der abl. Im Bereich Mitwirkung werden neue Formen gesucht für ein themenbezogenes Engagement an sogenannten Genossenschaftsforen, die sowohl für Mieterinnen und Mieter wie auch für Mitglieder ohne Wohnraum den Austausch mit den abl-Gremien, aber auch untereinander fördern und zur Meinungsbildung in der Genossenschaft beitragen sollen. 

Mitwirkungsanlass zur Revision der abl-Statuten im Oktober. 

Diese Rückmeldungen aus der Basis und auch die anschliessenden Diskussionen in Vorstand und Geschäftsleitung zeigen, wie schwierig es ist, die Flughöhe der Statuten einzuhalten, wenn einem Anliegen und Interessen unter den Nägeln brennen. Die Statuten bilden die zentralen Themen und Werte der abl ab, in Form von Grundsätzen und Grundlagen mit dem Blick aufs Ganze. Sie sind aber nicht der Ort für strategische und operative Aussagen oder für Einzelinteressen. 
Im November fand am zweitägigen Seminar von Vorstand und Geschäftsleitung die erste Lesung des Statuten-Entwurfs statt. Sie gestaltete sich dynamisch, ganz im Modus der Mitwirkungsprozesse, deren Ergebnisse natürlich auch zu berücksichtigen waren. Der Prozess geht mit der Redaktion und der juristischen Prüfung des Statutenentwurfs weiter. Wir werden im Februar 2022 über das Vorgehen und den Ablauf mit der ausserordentlichen Generalversammlung im Herbst und der darauffolgenden Urabstimmung informieren.  

Mediale und politische Präsenz
Der genossenschaftliche Wohnungsbau war 2021 vermehrt im medialen und öffentlichen Interesse. Die Genossenschaften mussten sich wohn- und finanzpolitischen Fragen stellen. Die Mietzinsgestaltung bei Neubauten gab Anlass zu Diskussionen bis hin zur Einflussnahme auf die Führung und auf Entscheidungen, die Sache der Genossenschaft selbst sind.  Im direkten Austausch mit Exponentinnen und Exponenten der SP und der Grünen Luzern suchte die abl den konstruktiven Dialog. Ziel war eine sachliche Diskussion und Argumentation, was aus unserer Sicht auch erreicht werden konnte. Die Basis ist gelegt für einen regelmässigen Austausch mit allen Parteien über zentrale politische Themen. Wichtig ist es, den Blick auf die übergeordnete städtische Ebene zu richten und auch die Rahmenbedingungen für die Genossenschaften zu beleuchten. Die Herausforderungen in Bezug auf die städtischen Schlüsselareale sind hoch und es braucht die politische Unterstützung der Parteien, um die gewünschte Entwicklung zu bewältigen und mehr gemeinnützigen Wohnraum in Luzern schaffen zu können. Preisgünstigkeit haben die Genossenschaften dabei alle im Fokus und ringen bei Neubauprojekten um Rahmenbedingungen, Auflagen, Interessen und Kosten.  

Wiedergewählt: Thomas Müller (l.) und Bruno Roelli (r.). 

Generalversammlung 2021
Dass die abl-Basis Vertrauen in die Arbeit der Gremien und der Geschäftsstelle hat, zeigte sich an der Generalversammlung 2021. Wegen der Pandemie fand diese wiederholt auf schriftlichem Weg statt. Die Wiederwahlen von Bruno Roelli und Thomas Müller sowie die Neuwahl von Sara Müller in die Geschäftsprüfungskommission gingen mit hoher Zustimmung von über 95 Prozent über die Bühne. Die klare Zustimmung zum Jahresbericht und Entlastung des Vorstands zeigten die hohe Akzeptanz der Mitglieder gegenüber der strategischen Ausrichtung der Genossenschaft. Auch war die gute Beteiligung von mehr als 2 600 Mitgliedern (22 Prozent) noch höher als im Vorjahr, was zu einer breiteren demokratischen Abstützung führt.  

250 Wohnungen im Bau
Zum Wachstum im gemeinnützigen Segment trägt die abl mit ihren drei laufenden Projekten bei. Insgesamt sind aktuell rund 250 Wohnungen im Bau. Die Vermietung der Neubauten Obermaihof 1, obere Bernstrasse und Himmelrich 3 wird im nächsten und übernächsten Jahr starten. Dafür braucht es Ressourcen und ein professionelles Management. Das Engagement im abl-Team ist hoch und die Geschäftsleitung setzt mit ihren Mitarbeitenden in allen Bereichen alles daran, die komplexen Herausforderungen und Aufgaben zu bewältigen.Ein Meilenstein für die Entwicklung des abl-Bestands ist das Siedlungsmonitoring. Es ist ein Instrument, das einen ganzheitlichen und interdisziplinären Blick auf die einzelne Siedlung erlaubt unter Berücksichtigung aller Aspekte. Von räumlichen, bautechnischen über finanzielle bis zu sozialen Kriterien wie Zufriedenheit und Zusammenleben zeigt es das gesamte Spektrum für eine nachhaltige Entwicklung.  

Seit Sommer ist das Siedlungsmonitoring im Einsatz; verschiedene Themengruppen zeichnen das Gesamtbild der Siedlung

Auf der Zielgeraden: Rohbau der Zeile Himmelrich 3 im November. 


Organisationsentwicklung
Für die Entwicklung des abl-Portfolios in eine nachhaltige Zukunft braucht es die Entwicklung des Systems und die Bereitstellung von Ressourcen. Der Vorstand hat im Frühjahr «Ja» gesagt zu einer Organisationsentwicklung, welche die Kompetenzen und Ressourcen in einem neuen Geschäftsleitungs-Modell optimal einsetzt. Seit diesem Jahr verfügt die abl über eine breitere Geschäftsleitung, bestehend aus acht Mitgliedern. Sie stehen für ein interdisziplinäres Zusammenspiel ein und wirken auch in den neuen strategischen Ausschüssen mit.Auch der Vorstand überprüfte mit fachlicher Begleitung seine Struktur und sein Profil mit Blick auf die notwendigen Kompetenzen. Die Zusammensetzung nach fachlichen Qualifikationen bewährt sich. Um die Perspektive der abl-Mietenden einzubringen, wird der Vorstand künftig mit einem zusätzlichen Mitglied agieren. Die strategischen Kernaufgaben bündelt der Vorstand in den neu definierten Ausschüssen Immobilien, Wohnen, Genossenschaftskultur und Soziales sowie Finanzen.  Inzwischen sind Konstituierung und Pflichtenhefte der Ausschüsse vom Vorstand verabschiedet. Sie sind Bindeglied zwischen Vorstand und Geschäftsleitung und werden von einem Vorstandsmitglied geleitet. Auf strategischer Ebene treiben sie in den jeweiligen Gebieten die nachhaltige Entwicklung und Innovationen voran – immer mit dem Ziel, den Genossenschaftszweck zu fördern. Sie beraten wichtige Geschäfte vor und stellen Anträge an den Vorstand.  


Ausblick
Mit der Verabschiedung des Budgets und der strategischen Schwerpunktsetzung für das nächste Jahr stand auch die Ressourcenfrage zur Diskussion. Es galt, die Prioritäten zu setzen. Und diese Prioritäten werden im nächsten Jahr bei der Bewältigung des Betriebs mit den laufenden Bauprojekten sein. Gleichzeitig müssen Prozesse wie das Siedlungsmonitoring, Qualitäts- oder Portfoliomanagement etabliert werden und es sind zwei Urabstimmungen über grosse Projekte zu stemmen: Die Kreditvorlage für die Realisierung der abl-Bauten im Rahmen der Kooperation Industriestrasse und die Verabschiedung der neuen Statuten. Zudem gilt es für die Nachhaltigkeitsstrategie die Grundlagen zu legen. Und auch das 100-Jahr-Jubiläum rückt näher.Für die Zukunft prüfen wir im Rahmen der Statutenrevision ein Verfahren, das die physische Versammlung mit einer schriftlichen Abstimmung analog der Urabstimmung kombiniert. Im kommenden Jahr rechnen wir jedoch mit einer physischen Durchführung der Generalversammlung am 13. Juni 2022 in der Messe Luzern. Wiederwahlen und eine Neuwahl für den neuen achten Sitz im Vorstand werden auf der Agenda stehen (Ausschreibung). Um einen ersten Schritt Richtung Mietervertretung im Vorstand zu machen, erweitert der Vorstand sein Gremium. Die Ausschreibung soll explizit Mieterinnen und Mieter ansprechen, die einen fachlichen Hintergrund im Bereich Genossenschaftskultur und Soziales mitbringen.  Was wir nicht voraussehen können, ist die Entwicklung der Pandemie. Wir müssen mit dieser Realität umzugehen lernen und nach wie vor flexibel und vor allem auch zuversichtlich bleiben, dass die rechtlichen Grundlagen und die Massnahmen wirksam sein werden. Ich wünsche allen gute Gesundheit!